Die Künstlerin als Therapeutin

Idealerweise aber ist die Kunsttherapeutin auch Künstlerin, denn das ist es, was sie unterscheidet von anderen (Psycho-)Therapeuten, was sie anbieten kann: ein Wissen und eine Versiertheit um die Techniken, um die Geschichte der Kunst und der Künstler UND - wohl noch wichtiger - Erfahrung mit eben diesen existentiellen Fragen und Schwierigkeiten des Menschseins, die sich dem/der Künstler*in stellen, die er, sie jedesmal, wenn eine neue Arbeit begonnen wird, überwunden werden müssen. Denn Kunst (in ihrer Ausübung) ist eine Geschichte des Scheiterns. Damit meine ich: ein Scheitern an dem Versuch ein Abbild zu schaffen der Idee, die man im Kopf trägt. An einem gewissen Punkt muss man sich vondiesem Abbild lösen (sonst wirft man alles hin) und sich öffnen für eine Perspektivenwechsel, für ein Miteinbeziehen des Zufalls, für den Flow, die Intuition. Das kommt für den/die Künstler*in als Belohnung nach harter Arbeit. Dieses existentielle Zurückgeworfensein auf sich selbst - das kann die Klientin, der Klient in jeder Kunsttherapie-Session erleben, das ist das transformative Moment in der Kunsttherapie, durch den die Kunsttherapeutin als Künstlerin mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen begleitet.

Jede Technik, jedes Material entspricht einer anderen Sprache. Auch das Wissen um die Kunstgeschichte und ihre Künstler ist ein Raum, den die Künstlerin als Kunsttherapeutin ihren Klienten anbieten kann: jede*r Künstler*in ist ein*e Forscher*in (meines Kunstbegriffes nach); jeder Künstler, jede Künstlerin hat eine eigene (Bild)Sprache der Weltentdeckung und Welterforschung entwickelt, somit bringt jede*r Künstler*in eine eigene Perspektive, sich und die Welt und sich in der Welt anders wahrzunehmen, zu erkennen. Das ist ihr/sein Geschenk an die Welt. So ermöglicht die Künstlerin als Kunsttherapeutin ihren Klienten einen Zugriff auf diesen Erfahrungs-und Wissens-Raum und somit einen Zugriff auf die ureigene Bildsprache, diese zu entdecken und zu erforschen und mit ihr einen Blick auf sich selbst zu werfen, auf sich selbst in der Welt und dieses Bild auch zu verändern. Das kann/darf durchaus auch lustvoll sein, Spaß machen. Sich selbst zu erfahren kann Tränen und Lachen beinhalten und alles dazwischen.